Gast: Jennifer Rickenbach, Anwältin
Dauer: 33:28
Die Eheschliessungen in der Schweiz waren in den letzten 50 Jahren stark rückläufig. Während vor 1965 die zusammengefasste Erstheiratsziffer aufzeigt, dass mehr als 90% der Männer und Frauen eine Erstheirat eingegangen sind, sind es heute noch zwischen 50 – 60%. Zu erkennen ist auch, dass die Scheidungsziffer ab ca. 1965 stark angestiegen ist; von ca. 12% auf ca. 40% (2018). Wenn das so bleibt, wird also nur etwa die Hälfte der Bevölkerung noch heiraten und 2 von 5 Ehen werden zukünftig geschieden.
Warum entscheiden sich immer mehr Paare nicht zu heiraten und was bedeutet das Eingehen einer Ehe in der heutigen Zeit überhaupt?
Eine Eheschliessung hält für die Ehepartner/innen verschiedene Änderungen bereit – von ganz kleinen wie vielleicht das Tragen eines Eherings als Zeichen der Verbundenheit bis zu viel folgereicheren, wie beispielsweise
Es wäre zu umfassend, auf alle Konsequenzen, die das Eingehen einer Ehe mit sich bringt, einzugehen. Im vorliegenden Blogartikel wollen wir den Fokus darauf legen, welche wirtschaftlichen Folgen eine Eheschliessung/der gewählte Güterstand haben und worüber es sich lohnt im Vorfeld Gedanken zu machen, um die Entscheidung bewusst und informiert zu treffen und sich Überraschungen zu ersparen – egal, ob man ein Leben lang verheiratet bleibt, es zur Scheidung kommt oder der Partner/die Partnerin verstirbt. Ganz nach dem Motto «Vorsicht ist besser als Nachsicht».
… welche Arten von Güterständen es in der Schweiz gibt
… welches die Eigenheiten der verschiedenen Güterstände sind
… was ein Ehevertrag ist und was darin geregelt werden kann
… was ein Konkubinatsvertrag ist und was darin geregelt werden kann
Wenn man in der Schweiz heiratet, kann man sich als Paar zwischen 3 Arten von Güterständen entscheiden:
Der Güterstand legt fest:
Wird nichts entscheiden, gilt automatisch der Güterstand der «Errungenschaftsbeteiligung». Was bedeutet das?
In der Errungenschaftsbeteiligung gibt es 4 «Arten» von Gütermassen:
Definition Eigengut
Das Eigengut wird jeweils separat verwaltet und hat keinen Einfluss bei der Auflösung des Güterstandes.
Schulden
Grundsätzlich haftet ein Ehegatte nur für seine eigenen Schulden und mit seinem gesamten Vermögen. Schulden können also wie Eigengut betrachtet werden. Eine Ausnahme gilt, wenn die Ehepartnerin/der Ehepartner mit der Verpflichtung einverstanden war oder es sich um Ausgaben für den täglichen Bedarf handelte (z. B. Schulden gemacht wurden, um die Miete oder die Autoversicherung zu bezahlen).
Definition Errungenschaft
Im Umkehrschluss ist alles, was nicht Eigengut ist, Errungenschaft; sprich die während der Ehe gemachten Ersparnisse (z.B. Gehalt, Zinsen, Beiträge in eine 3. Säule), auch Erträge, die aus dem Eigengut entstehen (z.B. die Zinsen eines Bankkontos, welches der Errungenschaft zuzuordnen ist).
Bei der Auflösung des Güterstandes (Scheidung, Tod, neuer Güterstand) wird die Errungenschaft zwischen den Eheleuten je zur Hälfte geteilt.
Beispiel einer Auflösung
Frau nach Auflösung: 300’000 CHF + 150’000 CHF = 450’000 CHF
Mann nach Auflösung: 100’000 CHF + 150’000 CHF = 250’000 CHF
Alternativ kann man sich auch für die Gütergemeinschaft entscheiden. Diese Entscheidung muss aktiv gefällt werden und muss in einem Ehevertrag festgehalten werden. In der Gütergemeinschaft gibt es während der Ehe 3 «Arten» von Gütermassen.
Bei der Gütergemeinschaft gibt es drei Varianten: allgemeine Gütergemeinschaft, Errungenschaftsgemeinschaft sowie Ausschlussgemeinschaft. Der Einfachheit halber wird nachfolgend nur die allgemeine Gütergemeinschaft dargestellt.
Definition Gesamtgut
Schulden
Je nach Art der Schulden haftet die Ehefrau bzw. der Ehemann entweder
Das Gesamtgut wird gemeinsam verwaltet und wird im Falle der Auflösung des Güterstandes zwischen Ehefrau und Ehemann aufgeteilt.
Beispiel einer Auflösung
Frau nach Auflösung: 150’000 CHF + 225’000 CHF = 375’000 CHF
Mann nach Auflösung: 100’000 CHF + 225’000 CHF = 325’000 CHF
Hier ist das Eigengut der Frau im Vergleich zum Beispiel unter Errungenschaftsbeteiligung auf 150’000 CHF geschrumpft und die Differenz ist ins Gesamtgut geflossen. In diesem konkreten Beispiel führt dies dazu, dass die Frau bei der Auflösung mit 75’000 CHF weniger ausgeht als bei unter Errungenschaftsbeteiligung.
Als dritte Option kann sich das Ehepaar für die Gütertrennung entscheiden. Auch diese Entscheidung muss in einem Ehevertrag festgehalten werden. Bei der Gütertrennung gibt es 2 Vermögen:
Bei diesem Güterstand werden die Ehegatten wie ein unverheiratetes Paar behandelt. Das heisst:
Entsprechend gibt es bei der Auflösung des Güterstandes nichts aufzuteilen.
Beispiel einer Auflösung
Frau nach Beendigung des Güterstandes: 300’000 CHF
Mann nach Beendigung des Güterstandes: 100’000 CHF
In einem Ehevertrag können die Ehepartner/innen die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungen in einem bestimmten Mass ihren individuellen Bedürfnissen anpassen. Durch einen Ehevertrag werden diese Anpassungen geregelt. Ein Ehevertrag muss von einem Notar bzw. einer öffentlichen Urkundsperson öffentlich beurkundet werden (einen Link zur einer Vertragsvorlage der Stadt Zürich findest du am Schluss des Artikels unter «Informiere dich weiter»).
Mit Hilfe eines Ehevertrags kann der Güterstand geändert werden:
Durch den Abschluss eines Ehevertrags kann auch Einfluss auf das Erbe genommen werden. Mithilfe eines Ehevertrags kann der überlebende Ehegatte abgesichert werden (im Mass wie es das Gesetz zulässt).
Ein Klassiker ist, dass ein Ehepaar einen Grossteil des gemeinsam angesparten Vermögens in ein Eigenheim investiert hat. Ist dem so, lohnt es sich, in einem Ehevertrag zu regeln, dass beim Tod des Ehegatten/der Ehegattin die gesamte Errungenschaft auf den überlebenden Partner/die überlebende Partnerin übergeht. Ist dies nicht der Fall und die Hälfte der Errungenschaft des/der Verstorbenen fällt in seinen Nachlass und muss mit den Nachkommen geteilt werden, kann das für den Witwer/die Witwe bedeuten, dass er/sie das eheliche Heim verkaufen muss, um die Erben auszubezahlen.
Und welche Möglichkeiten gibt es etwas zu regeln, wenn nicht geheiratet wird?
Heterosexuelle Paare, die nicht heiraten wollen oder homosexuelle Paare, die sich nicht eintragen lassen (es besteht die Möglichkeit einer «eingetragenen Partnerschaft») aber sich absichern wollen, können einen Konkubinatsvertrag eingehen.
Der Konkubinatsvertrag ist im Gesetz nicht geregelt. Es ist sinnvoll, diesen in schriftlicher Form zu erstellen. Für seine Gültigkeit muss er nur dann von einem Notar oder einer öffentlichen Urkundsperson öffentlich beurkundet werden, wenn zusätzlich erbvertragliche Anordnungen darin enthalten sind.
Folgende Punkte sollten sinnvollerweise in einem Konkubinatsvertrag geregelt werden:
Solltest du bald heiraten oder bist bereits verheiratet, lohnt es sich auf jeden Fall mit deinem/deiner Ehepartner/in die Möglichkeit, einen Ehevertrag aufzusetzen, zu besprechen. Dieser Artikel ist kein Plädoyer für oder gegen die Heirat, dass soll und darf jede/r zum Glück selbst entscheiden. Uns ist es jedoch ein Anliegen, dass du diesen Entscheid informiert und bewusst triffst und wir dich mit diesem Blogartikel auf mögliche Vorteile eines Ehevertrages und andere Stolpersteine aufmerksam machen konnten.
Informiere dich weiter bei
Mustervorlage von Eheverträgen je nach Modell: www.myright.ch/de/rechtstipps/partnerschaft-familie/wie-wird-ein-ehevertrag-richtig-aufgesetzt
FAQ Ehevertrag Schweiz: https://www.familienrechtsinfo.ch/eherecht/ehevertrag/
Quellen
Bundesamt für Statistik: www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/heiraten-eingetragene-partnerschaften-scheidungen/heiratshaeufigkeit.html, abgerufen am 25. Juli 2020.
ch.ch. Wirtschaftliche Folgen der Ehe – Güterstand: www.ch.ch/de/guterstand/, abgerufen am 25. Juli 2020.
Familienrechtsinfo: www.familienrechtsinfo.ch/eherecht, abgerufen am 25. Juli 2020.
Informationen zum ehelichen Güterrecht in der Schweiz: www.ehegueterrecht.ch, abgerufen am 25. Juli 2020.
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