Gast: Dr. med. Bich Doan Nguyen, Gynäkologin
Dauer: 26:00
Über «Intimpflege» wird bestimmt weniger (offen) gesprochen, als über die Pflege anderer Körperteile wie z.B. der Haare oder des Gesichts. Doch ist die Pflege unserer Genitalien wirklich weniger wichtig? Nein. Es liegt wohl eher daran, dass dieser Teil des Körpers vermehrt mit Scham behaftet ist. Schon das Wort «Schamhaare» lässt darauf deuten, dass sich darunter etwas verbirgt, wofür man sich schämen sollte oder das unrein ist.
«Die Besessenheit, was die Reinheit und Sauberkeit der weiblichen Fortpflanzungsorgane betrifft, geht auf die Zeit zurück, in der sich der Wert der Frau anhand ihrer Jungfräulichkeit bemass oder der möglichen Zahl ihrer Kinder. Vagina und Gebärmutter waren dabei die harte Währung.» schreibt Dr. med. Jen Gunter im Buch Vagina Bibel. Es verwundert also nicht, dass Worte wie «rein», «frisch» und «sauber» häufig verwendet werden, wenn frauenspezifische Produkte beworben werden. Und die Pharma- und Kosmetikindustrie machen mit der Intimhygiene ein Milliardengeschäft. Spannend, wenn man bedenkt, dass sich Vulva und Vagina grundsätzlich selbst reinigen.
Mit «Vulva» wird in der Fachsprache der äussere sichtbare Teil der Scheide beschrieben und Vagina bezeichnet den inneren/nicht sichtbaren Teil. In der Umgangssprache wird oft das Wort Vagina verwendet und damit ist dann meistens das gesamte Geschlechtsorgan der Frau gemeint. Die Abbildung illustriert die Vulva.
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Die Vulva ist seit jeher darauf ausgelegt mit Samenflüssigkeit, Blut, Urin und Kot zurecht zu kommen und sich selbst zu reinigen. Bei einer gesunden Frau [1] wird mit dem Ausfluss alles, was nicht gebraucht wird oder dienlich ist, aus der Vagina ausgespült. Zudem schützt der Ausfluss die Vagina vor eindringenden Bakterien. Ausfluss (ca. 1 – 3 ml pro Tag) ist also normal und nichts, gegen das man ankämpfen sollte (sofern dieser nicht riecht, schmerzt, eine veränderte Farbe oder Konsistenz aufweist bzw. auf eine Erkrankung hindeuten könnte). Der pH-Wert der Vulva ist leicht sauer. Milchsäurebakterien schützen die Scheidenschleimhaut durch Säuregehalt. Zudem bilden sie eine Art Proteine (Bakteriozine). Diese töten schädliche Bakterien ab bzw. verhindern, dass sich diese einnisten können.
Trotzdem reinigen sich viele Frauen zu oft und intensiv in ihrem Intimbereich. Der Hauptgrund, der dafür genannt wird, ist «sich sauber zu fühlen». Das Konzept der weiblichen Reinheit, das jahrhundertelang vor allem von einer männerdominierten Gesellschaft geprägt wurde und damit einhergeht, dass die weiblichen Geschlechtsorgane und ihre Ausscheidungen als «schmutzig» bezeichnet werden, hinterlässt scheinbar nach wie vor Spuren.
Für gesunde Frauen [2] wird empfohlen die Vulva nur mit Wasser und nur äusserlich (keine Scheidenspülungen!) zu reinigen. Es kann zum Beispiel teilweise eine pH-neutrale (pH-Wert zwischen 5.3 – 7) Waschlotion eingesetzt werden.
Unterwäsche sollte weder Feuchtigkeit binden noch Reibung verursachen, weshalb meist Baumwollunterwäsche empfohlen wird, die gut passt. Sie soll nicht zu eng sein, nicht einschneiden und nirgendwo hineinrutschen. Von Plastik- oder Latexunterwäsche wird vor allem deshalb abgeraten, weil man darunter schwitzt. Wenn man jedoch andere Stoffe als Baumwolle bevorzugt und keine Probleme damit hat, spricht nichts dagegen. Es muss dir wohl sein! Empfohlen wird auch, dass Unterhosen regelmässig (täglich) gewechselt und gründlich (bei 60 Grad) gewaschen werden.
Auch bei der Monatshygiene gilt: es muss dir wohl sein! Verwende ein Produkt, das dir und deinem Körper entspricht. Probiere was Neues aus, wenn du das Gefühl hast, dass es noch Optimierungspotenzial gibt und wenn nicht, halte dich ans Motto „never change a winning team“ :-).
Wir hoffen, du hast in diesem Blogartikel etwas für dich und die Pflege deines Intimbereichs mitnehmen können. Wenn du weitere Fragen hast, kannst du dich an uns wenden oder an deine Gynäkologin / deinen Gynäkologen – als Spezialisten können sie ganz gezielt auf individuelle Themen eingehen.
Informiere dich weiter bei
Tagesspiegel-Podcast „Gyncast“. m.tagesspiegel.de/themen/gyncast/
Fussnoten
[1] Diese Aussage gilt nur für Frauen, die sonst gesund sind und auch keine Erkrankungen der Geschlechtsorgane haben. Wenn du trotzdem das Gefühl hast, dein Ausfluss ist nicht normal, dann wäre es gut, dies mit deiner/deinem Frauenarzt/-ärztin zu besprechen.
[2] Wenn du an Harn- oder Fäkalinkontinenz leidest, ist Reinigung sehr wichtig, weil Urin und Kot den Säureschutzmantel der Haut beschädigen können und es zu Entzündungen kommen kann.
Quellen
Bodinek, Pauline. Nachhaltig leben: mit Stoffbinden nachhaltig durch die Tage. https://www.nachhaltigleben.ch/zero-waste/stoffbinden-4970, abgerufen am 14. Juli 2020.
Brochmann, Nina und Støkken Dahl, Ellen (2018). Viva la Vagina! Alles über das weibliche Geschlecht. Fischer S.
Gunter, Jen, Dr. med. (2020). Die Vagina Bibel: Vulva und Vagina – Mythos und Wirklichkeit. Südwest Verlag. München.
Wolf, Naomi (2019). Vagina – Eine Geschichte der Weiblichkeit. Rowohlt Taschenbuch.
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