Gast: Sibyl Schädeli, Coach und Autorin
Dauer: 57:56
«Nicht nach mehr Geld zu fragen, bedeutet immer nein.» EDITION F
Wieso braucht es eigentlich Lohnverhandlungsseminare speziell für Frauen? Ist das nicht absurd? Leider nein! Fakt ist, dass Frauen in der Schweiz im Durchschnitt 18.3% weniger Lohn erhalten als Männer. Fakt ist auch, dass Menschen, die zögern, ein besseres Gehalt zu verlangen, nicht einfach ein bisschen weniger Geld verdienen als andere, die das tun, sondern dass dieser Effekt langfristig erhebliche Ausmasse annimmt. Und ebenfalls eine Tatsache ist, dass Frauen weniger oft ihr Gehalt verhandeln als Männer. Gemäss einer Studie an der Carnegie Mellon University in den USA verzichteten 93% der Frauen darauf, über das erste Gehaltsangebot zu verhandeln. Hingegen nahmen bei den Männern weniger als die Hälfte (43%) das erste Angebot an.
Wir haben kürzlich ein Webinar zu Lohnverhandlungen für Frauen besucht und teilen mit dir die wichtigsten Tipps und Tricks für deine nächste Lohnverhandlung. Ergänzend dazu haben wir für dich recherchiert und eine Checkliste zusammengestellt, die aufzeigt, worauf du zukünftig achten kannst, damit du den Lohn erhältst, der dir zusteht.
… was mit Lohnunterschied / -diskriminierung gemeint ist
… mehr über die Gründe (individueller und struktureller Art) für Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau
… praktische Tipps für deine nächste Lohnverhandlung
Woher kommt die Lohnungleichheit? Sind die Gründe in der Ausbildung zu finden? In den höheren Ausbildungsstufen liegen die Frauen klar vorne: 25.1% der Frauen in der Schweiz haben eine gymnasiale Maturität (17.5% der Männer) und es erlangen auch mehr Frauen als Männer einen Hochschulabschluss. Das deutet darauf hin, dass es nicht an mangelnder Ausbildung bzw. Chance auf Ausbildung liegt. Woran liegt es dann?
Der Lohnunterschied zwischen Frau und Mann ist oft auf die unterschiedliche Erwerbsbiografien von Frauen und Männern zurückzuführen. Zum Beispiel übernehmen Frauen viel mehr Haus- und Betreuungsarbeit als die Männer und arbeiten auch öfters in Tieflohnbranchen wie z.B. im Gesundheits- und Sozialwesen oder in der Gastronomie.
Insbesondere die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männer und Frauen ist ein Aspekt, den es zu beleuchten lohnt:
Die Teilzeitbeschäftigung ist somit ein typisches Merkmal der weiblichen Erwerbsbiografie, was Auswirkungen auf Karrierechance und Lohn haben kann:
Zudem weist die weibliche Erwerbsbiografie öfter längere Unterbrüche (z.B. Babypause) auf, was ebenfalls das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern vergrössern kann. Der Ökonom Lucas Tschan von der Universität Luzern hat jüngst die Einkommen von Frauen und Männern in ähnlichem Alter, mit ähnlicher Ausbildung und Berufserfahrung verglichen: Vor der Elternschaft verdienen Frauen und Männer beinahe gleich. Danach öffnet sich eine Schere und schliesst sich oft ein Berufsleben lang nicht mehr:
Nun haben wir viele strukturelle Gründe aufgelistet, weshalb die Frauen weniger Lohn erhalten als die Männer. Mit strukturellen Gründen meinen wir in diesem Fall die vorherrschenden wirtschaftlichen und soziopolitischen Rahmenbedingungen, welche dazu führen, dass Frauen andere Erwerbsbiografien als Männer aufweisen, mehr Haus- und Betreuungsarbeit übernehmen (müssen), viel häufiger Teilzeit und in schlechter bezahlten Branchen arbeiten.
Was ist aber mit den 44% des Lohnunterschieds, die nicht erklärt werden können? Der Fakt, dass auch wenn die Frau dieselbe Erwerbsbiografie ausweist wie ein Mann (keine Teilzeitarbeit, keine Kinder usw.), sie im Durchschnitt trotzdem weniger Lohn erhält. Dieser Lohnunterschied wird als Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts bezeichnet. Was sind mögliche Erklärungen hierfür?
Nebst den strukturellen Gründen gibt es auch individuelle Gründe, weshalb Frauen weniger Lohn erhalten als Männer. Leider ist es oftmals so, dass Frauen sich weniger zutrauen als ihre männlichen Kollegen und sich in Leistungsbeurteilungen tendenziell schlechter bewerten als es ein Mann, der exakt die gleiche Leistung erbringt, tun würde. Auch das wirkt sich negativ auf die Lohnentwicklung der Frauen aus. Anstatt eine gute Argumentationsstrategie für eine Lohnerhöhung oder einen guten Lohn zu definieren, überlegen sich Frauen leider allzu oft Gründe, weshalb sie nicht nach mehr Geld fragen können. Zum Beispiel bei der Familienplanung oder beim Wiedereinstieg nach dem ersten Kind kommen Aussagen wie: «Ich war gerade mehr als ein Jahr weg, nun muss ich erst einmal zeigen, dass ich etwas resp. soviel wie vor der Babypause leisten kann, bevor ich nach mehr Lohn fragen kann», leider immer noch viel zu häufig vor. Hinzu kommt, dass viele Frauen Angst haben, beim Gegenüber schlecht anzukommen, wenn sie mehr Lohn einfordern. Einfordern, verhandeln, sich in den Vordergrund stellen und seine Leistung hervorheben fällt Frauen schwieriger als Männern und sind Themen, die für Frauen öfter einen negativen Beigeschmack haben oder sogar mit Scham behaftet sind.
Nun könnte man sagen, tja, die Frauen sind halt selbst schuld, dass sie weniger Lohn erhalten, sie verhandeln nicht gerne, fragen nicht nach mehr und so weiter… So einfach ist es allerdings nicht. Frauen, so zeigt sich, können nicht immer die gleichen Lohnverhandlungsstrategien anwenden, von denen Männer profitieren. Die vorherrschenden Stereotypen bringen Frauen oft in ein Dilemma, denn wenn Frauen hart und selbstbewusst verhandeln, gelten sie oft als unweiblich. Dass du dich für einen fairen Lohn, der dir zusteht, engagierst, ist jedoch alles andere als unweiblich. Von Expertinnen und Experten wird empfohlen, dass du dir vor der Lohnverhandlung eine gute Informationsbasis schaffst.
Unser Fazit ist also, dass sich ein Lohnverhandlungsseminar durchaus lohnen kann, um konkrete Verhandlungstechniken zu erlernen, sich seinem Mehrwert bewusst zu werden und zu lernen, diesen auch offen zu kommunizieren. Als kleine Hilfestellung für deine nächste Lohnverhandlung findest du als Toolbox den Leitfaden “Lohnverhandlung” von Sibyl Schädeli. Wir wünschen dir ganz viel Erfolg bei deiner nächsten Gehaltsverhandlung.
Informiere dich weiter bei
Salarium – Statistischer Lohnrechner. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken
Lohncheck.ch. https://www.lohncheck.ch/de
Lohnrechner. https://www.lohnrechner.ch/#calculator
Schädeli, Sibyl. https://www.sibylschaedeli.ch/
Quellen
Bohnet, Iris (2017). What Works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann. C.H. Beck. München.
Buecker, Teresa (2016). 7 Gründe, die jede Frau überzeugen sollten, jetzt nach mehr Gehalt zu fragen.https://editionf.com/gruende-warum-du-nach-mehr-gehalt-fragen-solltest/, abgerufen am 1. Mai 2020.
Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann. Häufige Fragen zur Lohngleichheitsanalyse nach Gleichstellungsgesetz. https://www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/themen/arbeit/lohngleichheit/lohngleichheitsanalyse-gleichstellungsgesetz.html, abgerufen am 3. Mai 2020.
Küng, Zita. https://www.equality-consulting.ch/verdienen-sie-nicht-mehr/, abgerufen am 20. April 2020.
Medricky, Michelle (2019). So lernen Frauen mehr Lohn zu fordern. https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Warteliste-bei-Lohnverhandlungs-Kurs-fuer-Frauen-21689846, abgerufen am 1. Mai 2020.
Saheb, Alexander (2020). Für Frauen kann sich der Mut zur Lohnverhandlung auszahlen. https://www.nzz.ch/finanzen/fuer-frauen-kann-sich-der-mut-zur-lohnverhandlung-auszahlen-ld.1538433, abgerufen am 20. April 2020.
Stillhart, Sibylle (2019). Schluss mit gratis! Frauen zwischen Lohn und Arbeit. Limmatverlag. Zürich.
Tschan, Lucas. Ein Erstgeborenes beeinflusst den Lohn einer Frau negativ. https://www.unilu.ch/news/ein-erstgeborenes-beeinflusst-den-lohn-einer-frau-negativ-4038/, abgerufen am 01. Mai 2020.
Wiget, Y., Wirth, T, & Caracciolo, D. (2019). Die Angst vor dem Karrierekiller. https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-angst-vor-dem-karrierekiller/story/16887526, abgerufen am 20. April 2020.
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